Medienkompetenz und Datenkritik

Die Medienpädagogik hat sich als eigenständiges Forschungs- und Praxisfeld in den 1970er-Jahren etabliert. Als zentrales Werk kann hier die Habilitation Dieter Baackes (Baacke 1973)  gelten, in der das bis heute gültige Konzept der Medienkompetenz, wenn auch noch mit anderen Begrifflichkeiten, erarbeitet wird. Im Gegensatz zu bewahrpädagogischen Vorstellungen, die vor allem Schutz gegenüber schädlichen Medieneinflüssen fordern, stellt Baacke den Mediennutzer in den Mittelpunkt, indem er 1996 pointert formuliert:

„Medienkompetenz meint grundlegend nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen.“ (Baacke 1996, 119)

Dabei geht es Baacke jedoch nicht nur um eine souveräne Beherrschung von Medien, sondern auch um Medienkritik, womit bei ihm – in Rekurs die Frankfurter Schule – nicht nur die Reflexion des eigenen Medienhandelns gemeint ist, sondern auch eine Diskussion um die gesellschaftlichen Bedingungen von (Medien-)Kommunikation und deren Gestaltung. Im Sinne eines demokratischen Diskurses geht es ihm darum, bisher stillen Akteuren eine Stimme zu verleihen.

Auch wenn der zentrale Topos der Medienkompetenz sensu Baacke bis heute unverändert Gültigkeit besitzt, muss konstatiert werden, dass das Konzept in einer Zeit entwickelt wurde, in der das Fernsehen als Leitmedium fungierte und somit eine massenmediale Sender-Empfänger-Logik vorherrschte. Neuere Medienentwicklungen, insbesondere die ubiquitäre Verbreitung interaktiver und vernetzter Kommunikationstechnologien, sind mit dem klassischen Konzept der Medienkompetenz nur schwer zu fassen.

So betont der Kommunikationswissenschaftler Andreas Hepp mit seinem Konzept der tiefgreifenden Mediatisierung, die Bedeutung des aktuellen Medienwandels:

„Tiefgreifende Mediatisierung heißt, dass die grundlegenden Elemente der Konstruktion der sozialen Wirklichkeit selbst medial vermittelt sind. Anders formuliert: Die soziale Welt, in der wir als Menschen leben, kann in ihrer spezifischen Form nicht losgelöst von Medien als technischen Mitteln der Kommunikation und Produktion von Daten gedacht werden.“ (Hepp 2018, 35)

Als Konsequenz ergibt sich für hieraus, dass eine gegenwärtige Medienkritik, nicht darum herumkommt, die Produktion und Verwertung von Daten in den Blick zu nehmen, da diese das Fundament des aktuellen Mediensystems darstellen. Weil wir durch die intensive Nutzung elektronischer Medien nicht nur im technischen Sinn fortwährend „Sender“ und nicht mehr nur „Empfänger“ sind, ist eine moderne Medienkritik ohne Datenkritik nicht denkbar.

Im Projekt „Data Talks“ haben wir uns daher das Ziel gesetzt, Datenkritik zu fördern. Dies umfasst u.E. sowohl die technische (Was ist möglich?) als auch die juristische (Was ist erlaubt?) Perspektive auf die Produktion und Verarbeitung von Daten. Daher arbeiten wir in einem interdisziplinären Team, in dem neben pädagogischem auch informatisches und juristisches Wissen vertreten ist.


Literatur:

Baacke, D. (1973): Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. München.

Baacke, D. (1996): Medienpädagogik. Tübingen.

Hepp, A. (2018): Von der Mediatisierung zur tiefgreifenden Mediatisierung. In: Reichertz, J., & Bettmann, R. (Hrsg.): Kommunikation – Medien – Konstruktion. Wiesbaden, 27–45.

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